Als ich
deprimiert vom Abschlussball nach Hause kam, sah ich O.C. Als ich gequält von
der Weisheitszahn-OP kam, sah ich OC. Und in der schlaflosen Nacht vor meinem
ersten Schultag auf dem Fachgymnasium sah ich OC. Nur, um in eine andere Welt
zu flüchten. Um mich nach den verschiedensten Lebenssituationen abzuspannen
oder mich von fundamentalen Brocken eines Lars von Triers, Gaspar Noés oder
Alejandro González Iñárritus zu erholen. Um in die Welt zwischen Erstreben, Intrigen, dem (nicht
ganz so) normalen Erwachsenwerden und verzwickten Freundschaften, Verhältnissen
oder Beziehungen einzutauchen. Eine Welt, in der die Sonne immer scheint, doch
nicht überall.
Ich las einmal „‚O.C., California‘ ist
für mich das amerikanische GZSZ, nur eben am Strand.“ Doch das ist es bei
langem definitiv nicht. In ‚O.C., California‘ geht es um weit mehr als um die
alltägliche Berliner Lebensart, Fremdgehereien und seltsame Ménages-à-trois. In
‚O.C., California‘ geht es ums Leben im vielerlei erträumten Paradies und dass
es im amerikanischen Traumland, im wunderschönen Kalifornien, genauso wenig
einfach ist wie im kalten Deutschland, im verschuldeten griechischen Dörfchen
oder im Land der Arbeitstiere Japan. In ‚O.C., California‘ dreht sich das Leben
nämlich viel weniger um den vermeintlichen Genuss der vielen Sonnentage, der
palmenübersäten Strände oder der amerikanischen Freiheit, was uns für Momente
vielleicht wie ein Traum vorkäme, sondern vielmehr um Betrüge, Abgründe,
Hinterlistigkeiten und der manchmal ebenso normalen wie verzweifelnden Lebensweise
in einer Gesellschaft im Schein des finanziellen Überflusses. Wie eine Lisbeth
Salander es mal ausdruckslos und äußerst ehrlich über die Lippen brachte: „Jeder
hat Geheimnisse.“ Auch die Reichen, die Schönen und die, von denen wir dachten,
dass sie eigentlich glücklich sein sollten. Denn sie haben alles.
Doch genau das ist der Kern der Serie:
All das Haben, Besitzen und Verfügen macht nicht glücklich. Kein Geld der Welt,
nicht das teuerste Auto in der Garage und auch kein Poolhaus im monströs
angelegten Garten. Sondern einzig die Menschen, mit denen man das Leben teilt,
was in Anbetracht des gesamten Verlaufs der Serie immer wieder zur Geltung
kommt.
An und für sich ist genau diese Finesse
der große Pluspunkt des Geschehens: Die Sympathie einer Serie, durch die man
vollkommen mit seinen Elementen und seinem Inhalt verschmilzt; das „in eine
andere Welt flüchten“ wird erschaffen; und vielleicht nicht unbedingt in eine
bessere, aber in eine Welt, in der es vertraute Menschen gibt, die mich mit mehr
oder weniger offenen Armen empfangen. Abschalten. Eigene Probleme vergessen.
Eintauchen. Die Probleme anderer fühlen. Genau das schafft ‚O.C., Califorinia‘
für mich.
Dabei ist Seth Cohen mein Held auf
Ewigkeit. Nicht nur, dass uns viele Parallelen verbinden, sondern weil er
einfach eine so authentische Figur ist, in die ich mich persönlich wie in keine
andere Figur aus der Film- und Fernsehwelt einfühlen kann. Seth – oder herzlich
einfach „Cohen“ genannt– ist der
Außenseiter, versteht vieles dieser Welt nicht, und ein mancher ihn dadurch nur
zu gut. Am liebsten segelt er allein ins weite Meer hinaus, dort kann ihm
keiner was. Er liebt Comics, zeichnet seine große Liebe Summer gerne als
Actionheldin „Miss Satansbraten“, hat Humor, Sensibilität und liebt Sarkasmus.
Oder die faszinierende Femme fatale
der Serie, Julie Cooper, die versteckte Filmbösewichtin, in der die Oberflächlichkeit
der Society ihrer selbst besonders aufblühend zu erkennen ist: Sie, aus armen,
schwierigen Verhältnissen, ist die Figur schlechtweg, die partout die
Oberflächlichkeit und Geistlosigkeit einer – keinesfalls überall und in diesem Bild
pauschalisiert bestehenden, aber existierenden – Gesellschaft widerspiegelt.
Jedoch wird praktisch nie plakativ gezeigt „Wer ist böse und wer nicht?“,
sondern „Jeder ist in irgendeiner Weise ‚böse‘, jeder macht Fehler, jeder
handelt mal falsch, viele Menschen sind ‚schlecht‘, doch in ebenso vielen schlägt
auch ein Herz, in ebenso vielen ist auch ein weicher Kern und in ebenso vielen steckt
auch ein Wert, dass ihnen verziehen wird“, was den Horizont der Serie in Sachen
Glaubwürdigkeit und Einfühlvermögen um einiges erweitert.
Filme sind toll und ‚O.C., California‘
mag für den intellektuellen Filmkunstliebhaber, von dem ich mich nicht allzu
weit ausschließen möchte, sicherlich nicht progressiv oder revolutionär in
seiner Art und Weise sein. Doch wie Tarkovsky einmal „Wir schauen nur, aber wir
sehen nicht“ erwiderte, so sollten wir auch ‚O.C., California‘ beurteilen, denn
es steckt weitaus mehr drin als das, wonach es nach zwei, drei Malen
Reinschalten ausschaut.
Und wie viele Songs habe ich schon für
mich entdeckt, die die Serie und ihr Leben begleiten, die nun auch mein eigenes
Leben untermalen? Wie viele Themen, die auch mein Dasein beschäftigen, haben die
Figuren meiner Lieblingsserie ebenfalls durchlebt – vom Trennungsschmerz (nicht nur von Liebschaften
ausgehend), Familienkatastrophen, dem schulischen Alltag, dem Desaster in der
Nachbarschaft oder der ein oder anderen ungewollten Konfrontation mit der
Vergangenheit?
‚O.C., California‘ bedeutet für mich
ein großer Teil des Lebens, denn Abschalten kann ich bei dieser Serie wie bei
keinem anderen Film.
Der Text war von Dir? Hätte ich niemals erraten, finde den aber sehr gut. Kamst Du in die "Endrunde"?
AntwortenLöschenNö, war zu dem Zeitpunkt noch keine 18 und der Einverständniserklärungsmist war mir zu umständlich. Es ist auch recht schwer da gutes heraus zu kristallisieren, wenn auch ein paar offenkundig sehr gute dabei waren. (Deiner oder ihre-herrlichkeit's South Parks Text vor allem). Schön für die Gewinner, aber sonderlich interessant fand ich das Ganze dann auch nicht.
LöschenEin Gleichgesinnter. Hammer !
AntwortenLöschenBrody ist für mich ein klasse Schauspieler und umso bitterer finde ich es, dass er den Durchbruch nicht geschafft hat und in der Versenkung verschwunden ist. O.C. CARLIFORNIA war unfassbar unterhaltsam, wenn auch die letzte Staffel deutlich schwächer war, die habe ich dann auch nicht mehr beendet.
Da gebe ich dir recht. Letzte Staffel ist zwar für mich immer noch recht gut, aber tatsächlich um einiges schwächer. Nicht zuletzt aufgrund von Marissas Tod ... Und Brody ist ein Gott! Glaube einer seiner wenigen Rollen hatte er in Thank You For Smoking und Mr & Mrs Smith. Aber recht unbedeutend. Finde ihn echt talentiert, wobei es für solche Serienhelden glaube ich vom Image auch recht schwer ist, aus der Rolle wieder "rauszukommen".
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