Donnerstag, 29. März 2012

Melancholia – Lars von Triers seelische Verarbeitung, indem er die Welt untergehen lässt.

Melancholia
Drama | Dänemark/Frankreich 2011 | FSK 12 | Regie: Lars von Trier


„Die Erde ist schlecht. Wir brauchen nicht um sie zu trauern.“

Die Welt. Das Leben. Und ein Planet, der alles zerstören soll. 
'Melancholia'. Ein Film der Melancholie, der Aussichtslosigkeit und der Resignation. Leitgedanken und Gefühle, die vielleicht nicht einmal im Traum in solch wunderschöne Aufnahmen der Sinnbildlichkeit und Kunst erdacht werden können. Bilder zweier Planeten, die in unvorstellbarer Zeitlupe aufeinander prallen; Bilder einer depressiven Frau im Brautkleid, dessen Schritte an Schlingen gefesselt erscheinen; Bilder eines kleinen Jungen, der Hölzer für eine magische Höhle schnitzt, in der er Schutz zu finden versucht; Bilder der Poesie. Doch 'Melancholia' ist außer Acht seiner überwältigenden Bildersprache in erster Linie besonders eins: eindrucksvolles Charakterkino der Vollendung, dessen Hintergrund nicht glaubwürdiger hätte sein können. Und das sieht man dem Film auch an. Wie auch in Triers vorigem Artefakt 'Antichrist' ist der Film gezeichnet von einer depressiven Protagonistin. Justine, gespielt von einer nie zuvor so eindrucksvoll agierenden Kirsten Dunst, mag vielleicht eine der interessantesten Charaktere der Filmgeschichte sein – zumindest meiner. Justines Weltanschauung ist geprägt von Hoffnungslosigkeit, Pessimismus und einer Weltanschauung – wie sie es selbst in Worte fasst – nach „die Welt ist schlecht, und wenn ich das sage, dann ist das so“. 

Doch wieso ist der Film genauso wie er ist? Filme über Weltuntergänge sehen doch normalerweise anders aus. Lars von Trier jedoch ist klug genug, um keinen Film über den Weltuntergang, sondern einen Film über zwei Seelen vor dem Weltuntergang zu machen. Justines Hochzeit in Teil I symbolisiert hier eine allgemeine Gesellschaft; ein Beisammensein unter Menschen, das man üblicherweise auf der eigenen Hochzeit gern hat. Doch die Gesellschaft scheint Justine fern zu sein, häufig erscheint sie wie völlig fremd auf sie einwirkende Menschen, zwischen sich bekriegenden Eltern, einem Chef, den sie hasst, und einer Arbeit, die sie verabscheut. Was Justines Charakter so interessant macht, ist nicht die Tatsache, dass sie unter Depressionen leidet – zelebriertes Leid und Unglück kennen wir bereits. Es ist die Sensibilität eines Menschen, ihre Zerbrechlichkeit und ihre Unsicherheit. Ihr Charakter findet sich inmitten der Gesellschaft – der Hochzeitsfeier – nicht zurecht, er will ihr entfliehen, weil er dem Druck nicht standhält. Fliehen aus dem Saal, ins Bett ihres kleinen Neffen Leo, fliehen in den Stall der Pferde, auf den Golfplatz oder ins Zimmer der Mutter, welche ihr nichts anderes als „Ich an deiner Stelle würde mich zu Tode fürchten“ zu trösten hat.

Als die Welt in Teil II unter Bedrohung einer Kollision mit dem Planeten Melancholia steht, scheint sich allerdings alles zu drehen und zu wenden. Während ihre sonst so beherrschte, gezielte Schwester Claire mit panischer Angst um Existenz, ihr Leben und des Lebens ihres Sohnes und Mannes zu kämpfen hat, scheint Justine eine Art Erlösung zu finden. „Ich habe doch keine Angst vor einem dummen Planeten“, fasst sie es in Worte. Das Ende der Welt stellt für sie keine Bedrohung dar. Ganz im Gegenteil: Sie sieht den Weltuntergang als Errettung, als Befreiung ihres Leidens und ihres für sie selbst längst überflüssig erscheinendem Daseins. Wenn die Menschheit in Angst und Panik versinkt, dann bleibt die depressive Justine völlig ruhig; oder „wenn die Normalen unnormal sind, bleibt die Unnormale normal.“ 

Vielleicht ist genau dieser Ansatz der Schlüssel zu dem, was Lars von Trier der Welt sagen möchte. Es ist bekannt, dass er selbst seit Jahren an Depressionen litt. Könnte die zerbrechliche Justine nicht Lars von Trier selbst sein, der sich quasi in der Figur seines eigenen Films ausdrückt? Er all seine Gefühle, seine Welt- und Lebensanschauung in diesem eigenen Lebensfilmwerk ausdrückt? Er offenbart dem Zuschauer seine Seele, er vertraut uns das Menschlichste im Menschen an – genau wie er es in seinem vorigen Meisterwerk 'Antichrist' auf deutlich gnadenlosere Art begann. In einem Interview sagte von Trier: „Ich habe kein Problem zu sterben.“ In anderen Worten: Justine, das bin ich. Und kann es im modernen Kino etwas Schöneres geben, als das Innerste des Filmschöpfers selbst in seinem Film zu fühlen? 

'Melancholia' – Homonym im Sinne der depressiven Stimmungshaltung des Films, der Melancholie, und gleichzeitig des Namens des Planeten, der diese einerseits auslöst und andererseits doch auslöscht. Ein Film, immer wieder wie ein fundamentaler Brocken in meinem Herzen. Ich möchte es kaum sagen, aber mit Justine hat Lars von Trier einen Charakter geschaffen, mit der ich mich persönlich auf vielerlei Ebene identifizieren kann. Mein absoluter Lieblingsfilm für immer. Ein Film, für den ich sterben würde. 




Siehe auch: Antichrist

Montag, 26. März 2012

Fünf Fragen

Nichts ahnend kam ich entnervt aus der Schule und blickte auf meine moviepilot-Pinnwand. Ein geheimnisvoller Link, der mich zu einer noch geheimnisvolleren Internetseite führte, erstarrte meinen Blick und lotste mich auf die Stadt des Kinos. Die Rede von fünf Fragen, Antworten, Verlinkungen und Mich und Dich. Und so weiter... Hier sind die Fragen, die ich von Chambers beantworten muss. 


1. Welches Buch/Spiel/Theaterstück Spiel sollte deiner Meinung nach unbedingt verfilmt werden? Und von wem?
Damals war es der Comic 'The Walking Dead', der nach einem Jahr tatsächlich als Serie erschien. Danach war es der Comic 'The Umbrella Academy', der nun ebenfalls wahrhaftig verfilmt werden soll. Nun, gespannt dürfte man auf eine 'GTA San Andreas'-Verfilmung sein, die sicherlich richtig gangsterklischeehaft und scheiße sein würde; oder wie wäre es mit dem skandinavischen Bestseller-Roman 'Erbarmen' von Jussi Adler Olsen? Ein toller Kriminalroman, wobei er sicherlich auch "nur" als eine Art Nachfolger von Stieg Larssons Millennium-Trilogie betrachtet werden kann. Ich steh' aber drauf, würd' ich cool finden. Verfilmen sollte es Niels Arden Oplev, der auch den ersten und beachtlich besten Teil der Millennium-Trilogie verfilmte.

2. Wenn du auf einer einsamen Insel stranden würdest, welchen Filmstar würdest du am liebsten an deiner Seite haben? Und warum?

Kirsten Dunst. In Melancholia machte sie in jener lebenbedrohlichen Situation des Weltunterganges eine Art Heilungsprozess aus ihren Depressionen durch. Vielleicht trägt sich das auf mich über.

3. Welchen Film, Schauspieler, Regisseur, Komponisten (wer auch immer euch noch einfallen möge) findet ihr entgegen der allgemeinen Meinung absolut doof? Und auch hier wieder, warum?

Da fällt mir zu jeder Kathegorie was ein. 
Film: Hangover. Scheiße, unlustig und spiegelt nichts als unsere gottverdammte partygeile Saufgesellschaft wider.
Schauspieler: Robert De Niro. Hat meiner Meinung nach vielleicht Talent dafür, Gewehre in der Hand zu halten, abzufeuern und mit Drogen zu dealen. Mit Schauspielern hat sein temperamentloses Geaffe aber nichts zu tun.
Regisseur: Martin Scorsese. Finde seine Filme völlig uninteressant, gleichgültig und unsympathisch. 
Komponist: Da haben alle mal schlechtere Werke und mal stärkere. Mag Filmmusik aber zu gerne, um da jemanden abgöttisch gegen die allgemeine Strömung zu hassen.

4. Wir schreiben das Jahr 3453, das Medium Film ist zu dieser Zeit schon so gut wie ausgestorben, jedoch sitzt du mit deiner Freundin im letzten Kino der Welt. Doch es fängt an zu brennen und du musst dich entscheiden, wen du retten magst: Die dort restlich gelagerten Filme, von denen es absolut keine Kopien mehr gibt, und worunter auch deine Lieblingsfilme sind, oder deine Geliebte? Aber eure Freundin hat Krebs und hat vom Doktor noch ein knappes Jahr bekommen, jedoch wäre der Tod im Feuer eine schreckliche Qual. Wählt weise.

Filme. Ohne Widerrede.

5. Nach der etwas, äh 'anderen' Frage Nr.4, kommen wir mal wieder zu etwas normalen: Es ist endlich geschehen. Eine Zombieapokalypse hat die Welt befallen. Du Filmfreak wirst jedoch nicht in Panik ausbrechen, sondern einen perfiden Plan fürs überleben aushecken, zig Zombie/Infizierten-Filme hast du gesehen. Wie sieht dein Plan aus?

Die Menschheit ist ausgerottet. Endlich in Ruhe leben. Ich bleibe vorerst zu Hause. Hier habe ich Filme, Musik, Papier und Bleistift, Laptop, Videospiele. Vielleicht werde ich mein Haus ähnlich verschanzen wie in 'I Am Legend', scheint sehr gut zu klappen. Sprich: Türen und Fenster vernageln. Im Keller werde ich einen Lebensmittelvorrat aufbauen. Um mir diese zu besorgen, gehe ich einmal in der Woche einen Supermarkt plündern. Das geht natürlich nur nach dem Mittag, wenn die Zombies nicht mehr hungrig sind. Ich bevorzuge wie so oft im Leben dabei das Fahrrad. Der Tank unseres Autos ist leer und Benzin gibt es nicht mehr. Dabei fahre ich meist einhändig, halte mit der anderen Hand ein G36-Maschinengewehr. Die Patronen habe ich damals auf Vorrat gekauft, der soweit noch reichlich Monition bietet. Manchmal, wenn ich aggressiv bin, benutze ich auch gerne die alte Säge meines Vaters, mit denen ich den Zombies den Kopf absäge. Das macht Spaß und ist zu einer meiner wenigen Freizeitbeschäftigungen geworden. Bisher komme ich sehr gut damit zurecht, hier zu Hause zu leben, aber immer wieder versuchen die Zombies in mein Haus einzubrechen und mich aufzuessen. Mein Blut riecht sehr gut und mein Fleisch auch. Ich träume davon, irgendwann nach Hamburg weiterzuziehen, um dort in ein Apartment zu ziehen, das sich im 80. Stock befindet. Doch durch den fehlenden Treibstoff habe ich keine Chance.


[Hab vielleicht stellenweise übertrieben.]

Freitag, 23. März 2012

Sunshine

Sunshine
Science-Fiction | Vereinigtes Königreich 2007 | FSK 12 | Regie: Danny Boyle

Die Sonne stirbt. Kein Licht. Kein Sehen. Keine Freude. Die Menschheit wird im Dunkeln stehen gelassen. Kontinuierliche Finsternis. Bedrücken. Hoffnungslosigkeit. Vielleicht möchte Danny Boyle uns genau das sagen. Die Verzweiflung an Auslöschung unserer Lichtquelle und gleichzeitig unserer Kraftbasis, die der Mensch in der UV-Strahlung durch Umwandlung unseres Körpers in Vitamin D findet. In Angesicht der Crewmitglieder der Icarus II wird exakt dies sichtbar. Panik herrscht, Verwirrung, Schuldgefühle. Alles andere als Sonnenschein, sondern tiefe humane Ängste. Danny Boyle gelingt es, zwischenmenschliche Konflikte einer Krisensituation um Leben und Tod in einer in der Form nie zuvor dagewesenen Science-Fiction-Poesie zu manifestieren und bezieht sich dabei nicht auf den Kampf und den Kernpunkt der Mission, die Sonne neu zu beleben, sondern stellt charakterbezogen die emotionale Zuspitzung eines immer weiter scheiternden Versuchs, die Menschheit zu retten. Es geht um den Todestrieb, dessen Erlösung [Achtung Spoiler] der an Schuldgefühlen geplagte Trey nur im Suizid findet [Spoiler Ende]; und es geht um den Überlebenstrieb, der sich über die Crewmitglieder nach und nach weiter ausbreitet oder verliert. Ganz abgesehen davon, dass 'Sunshine' vielleicht viel mehr als überwältigendes Science-Fiction-Kino ist, begleitet Meisterkomponist John Murphy in Zusammenarbeit mit Underworld den Film mit einem numinosen Score der Weltklasse; zugleich 'Sunshine' allenfalls einer der optisch gewaltigsten Filme von Danny Boyle ist. Effekte wie aus einer anderen Welt und dabei so wunderschön und kunstvoll und niemals überladen. Außerordentlich und grandios. Für mich einer der stärksten Science-Fiction-Filme meines Lebens – bisher. 





Mittwoch, 21. März 2012

Tanz der Teufel

The Evil Dead
Horror | USA 1981 | FSK - | Regie: Sam Raimi

Literweise Körperflüssigkeiten, von denen man nicht mal die leiseste Ahnung hatte, wo sie hätten hinausspritzen können, Nebel, Wald, notgeile Bäume und Kettensägen, Würgreize und abstoßende Anziehungskraft. 'The Evil Dead' ist abgesehen von seinem primitiven Unterhaltungspotenzial vor allem eins: ekelhaft genial und ein mehr oder weniger lebendiges Zeichen dafür, wie nahe sich Grauen und Reiz, Scheusal und Faszination und geschmacklose Gewaltsamkeit und teuflische Filmkunst sind: Der Mensch wird geöffnet, und wir befinden uns am Rande des Wahnsinns.  



Sonntag, 11. März 2012

Inland Empire

Inland Empire
Psychothriller/Drama | Frankreich, Polen, USA 2006 | FSK 12 | Regie: David Lynch 

Abgöttischer Mist und unerträglich albern artistisch zwischen stilvoll düsteren, göttlich atmosphärischen Szenenbildern, zwischen Stilbrüchen, in denen Frauen ihre Titten ins Objektiv quetschen und Männer hinter abgefuckten Gartenlauben lauern; irgendwo da ist 'Inland Empire' außerordentlich sehenswert und gleichermaßen ein Selbstbegräbnis Lynchens. Es ist gar nicht das nebulöse Überirdische, das Lynch in dieser Erscheinung bis aufs Äußerste hinausquälte. Es ist die Tatsache, dass 'Inland Empire' ganz ohne Zweifel mehr einem billigen Lynch-Fake eines Filmstudenten gleicht als einem Lynch-Mysterium, das wir lieben. Sicherlich voller Sinn und Verstand über seinen Arschtritt an Hollywood, doch an der Grenze zum Megaquark.


Samstag, 10. März 2012

Warrior


Warrior
Sportdrama | USA 2011 | FSK 16 | Regie: Gavin O'Connor

Von Publikum und Kritik in die Galaxis gelobt, bleibt 'Warrior' treuherzig an der Grenze des Sportdramas kleben. Von Emotionalität und Schicksal getragen und allemal von nur allzu blendender Musik nahezu perfektioniert, schaffte 'Warrior' es nie, mich auch mit jenen Affekten zu überwältigen. Weit entfernt von schlecht, dazu ist er viel zu makellos, aber ebenso weit von jeglicher Innovation des Genres.