Mittwoch, 19. September 2012

‚Ziemlich beste Freunde‘ und der Untergang der Sorglos-Komödie mit Subtext.

Intouchables
Komödie | Frankreich 2011 | FSK 6 | 110 Minuten | Regie: Eric Toledano, Olivier Nakache

Anlässlich des DVD-Starts, des Remakes und der Oscar-Favoritenbekanntgabe gibt es von mir ‚Ziemlich beste Freunde – Die Zweite‘.
‚Ziemlich beste Freunde‘ prophezeit nun schlussendlich den Untergang und die Abstumpfung der lockeren Komödie mit Kopplung zur sozialen Substanz. Kaum ein Film unserer Gegenwart findet so viele Anbeter wie der französische Kassenschlager von Eric Toledano und Olivier Nakache. Ein Film von lieben Menschen über liebe Menschen für liebe Menschen. Ein Film für das Publikum, das sich nach dem Feierabend gerne mit „gewagten Indiekomödien mit Anspruch“ schmückt.
Da ist Driss, ein schwarzer Kerl mit Migrationshintergrund, der gerne kifft, drollig herumafft und ulkig blöde Späße reißt, welcher sich um einen gelähmten, älteren Herren aus der höheren Mittelschicht, Philippe, pflegt. So niedlich dies klingt, ist es auch, und so simpel wie idiotensicher ebenfalls. Sie erleben die urkomischsten Geschichten miteinander, aus denen sich die blühendsten Klischees ihrer Charaktere nur so entpuppen: Driss ist das bildhafte Stereotyp für den jungen, perspektivlosen Flegel aus dem französischen Banlieue, Philippe das Klischee für den vermögenden Herrn des Spießbürgertums. Nun prallen sie aufeinander. Philippe, selbstverständlich Kunstliebhaber, zerrt Driss mit ins Kunstmuseum, selbstredend hat der ungebildete junge Kerl der Unterschicht von heute für Kunst nichts übrig, noch Ahnung davon; Philippe hört klassische Musik, Driss natürlich nur Hip-Hop und zieht Philippes Geschmack quietschfidel ins Lächerliche; und um des Bürschchens Bedürfnissen dennoch etwas näher zu kommen, rauchen die beiden zusammen ein Paar Joints. Volle Kraft voraus in die Tiefen eines modernen Films, der sich „ganz frisch und deshalb unheimlich mutig und gewagt“ mit dem Thema Behinderung auseinandersetzen zu versucht. Oder eher nicht.
Denn ‚Ziemlich beste Freunde‘ ist ein schmerzhafter Crowdpleaser, ein Publikumsliebling, der zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort den richtigen Humor und die richtige Empfindung des Zuschauers zu treffen weiß, welchem zu jenem Moment geradezu nach einem Lächeln oder wärmenden Behagen zu Mute ist. In anderen Worten: Wir sind dort angekommen, was das Kino niemals sein sollte: Eine Leinwand, die dem Menschen eine Geschichte – zweifelsohne unkompliziert und sorgenfrei – vorkaut und ihn nicht nur mit den Stereotypen unserer Welt konfrontiert, sondern eigentlich mit nichts anderem mehr beschäftigt ist, als uns diese immer wieder zu bestätigen, sie auszuführen, sie zu sympathisieren, sie uns nahezuführen und sie uns von ihnen zu überzeugen, weil sich ja jeder mit ihnen und ihrem Verhalten identifizieren kann, oder über sie her zu juxen, weil sich ja jeder in solche Situationen einfühlen kann. Zeitgenössischer Humor und die Komödie von heute an der Grenze zur Verblödung und seinem eigenen Elend im orientierungslosen, unbeholfenen, aber dadurch allemal bequem-naiven Spiel mit sozialer Bedeutung und gesellschaftlichen Schablonenfiguren. ‚Ziemlich beste Freunde‘ ist nicht einmal ansatzweise an anregenden Sozialfragen interessiert, was sogar richtig ansprechend hätte sein können. Er möchte uns ein Amüsement vorführen, mit dem er sich bestmöglich ins Herz des Zuschauers lullen kann. Und wie man unschwer erkennen kann: Er hat es geschafft.
Endprodukt ist der Erfolg „Lieblingsfilm: Ziemlich beste Freunde“ und gleichermaßen die Bedrohung des Qualitätskinos. Das Regisseurduo Toledano/Nakache fabriziert hier eine ätzende Melange aus Sozialdrama und moderner Komödie, gefüllt mit stereotypischen Äußerungen, Charakterzeichnungen und leeren, abgegriffenen Witzen, auf dass im Publikum von 0-99 Jahren für jeden etwas dabei ist. Es wird versucht, auf ebenso nervige wie gleichermaßen ach so ungezwungene Art und Weise ein neues Bild von „ich gehe ja so locker und cool mit dem Thema Behinderung um“ zu zeichnen – des Publikums Antwort: „Wie gewagt!“ und „Aktuell, unkonventionell und total neuartig!“. Spätestens nach Barry Levinstons ‚Rain Man‘ mit Dustin Hoffman und Tom Cruise ist es das nicht. Und ob es nun von bedeutender Intelligenz ist, zwei gesellschaftlich voneinander entfernte Stereotypen zusammenzubringen, mit denen die Regisseure nichts anderes außer „Schaut her, die Klischeevorstellung hat zusammengefunden!“ auszusagen haben, halte ich für vage. Man hat es sich hier lediglich simpel gemacht, das Massenpublikum zu beglücken.
Mühelos zu erfassen, ist ‚Ziemlich beste Freunde‘ ein Film zugeschnitten auf unsere heutigen „nachdenklichen“ Jahrgänge. Mögen ganz viele tierisch komisch und frisch und bedeutungsschwer finden, besonders letzteres ist es aber keine Sekunde, denn Klischees und Schablonen für menschliches Verhalten ist das Letzte, was wir und das zeitgenössische Kino gebrauchen können.
„Haben Sie keine anderen Ziele in Ihrem Leben?“ 




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